„Die Bibliothekarin von Auschwitz“ – acht Bücher als Halt in der Ausweglosigkeit
Im April 2022 veröffentlichten der Autor und Historiker Salvo Rubio und die Illustratorin und Comiczeichnerin Loreto Aroca López eine Graphic Novel des Romanes "Die Bibliothekarin von Auschwitz".
Der spanische Autor Antonio Iturbe (geb. 1967) veröffentlichte 2012 den Roman „Die Bibliothekarin von Auschwitz“ (span.: „La bibliotecaria de Auschwitz“), ein Roman nach einer wahren Begebenheit. Er basiert auf der Geschichte von Dita Kraus (geb. Adlerova), die während ihrer Gefangenschaft im Konzentrationslager Auschwitz heimlich eine kleine Bibliothek führte. Im Jahr 2020 erschien der Roman zum ersten Mal auf Deutsch. Inzwischen ist er in mehr als 30 Sprachen erhältlich.
Im April 2022 veröffentlichten der Autor, Szenerist und Historiker Salvo Rubio und die Illustratorin und Comiczeichnerin Loreto Aroca López im Verlag Bahoe Books eine Graphic Novel dieser Geschichte, die gleich zu Beginn auf Spanisch, Englisch, Französisch und Deutsch erschien.
Bildung als Widerstand gegen die Hoffnungslosigkeit
Dita Adlerova, ein jüdisches Mädchen, das verrückt nach Büchern war, wurde, wie Millionen andere, während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Eltern in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Im Lager wurde die Familie zunächst nicht getrennt, denn sie kamen in den Bereich im Ghetto Theresienstadt, der auch „Familienlager“ genannt wurde und der ausschließlich als propagandistisches Aushängeschild diente. Hier übernahm Dita eine außergewöhnliche Aufgabe: Sie wurde zur heimlichen Bibliothekarin einer winzigen, unerlaubten Lagerbibliothek. Diese bestand aus nur acht beschädigten Büchern, die unter Lebensgefahr vor den Wachen versteckt werden mussten.
Die Bücher waren eine Quelle des Trostes, der Hoffnung und des Widerstands für die Lagerinsass·innen, besonders für die Kinder, die in geheimen Unterrichtsstunden betreut wurden. Trotz der ständigen Bedrohung durch die SS, die bei Entdeckung der Bücher schwerste Strafen verhängt hätte, hielt Dita an dieser Rolle fest. Nicht zuletzt, um den Häftlingen den Zugang zu Bildung und Hoffnung zu ermöglichen.
Im Gegensatz zu ihren Eltern, die beide an den gesundheitlichen Folgen verstarben, überlebte Dita Adlerova das Grauen von Auschwitz und wurde später Lehrerin und Schriftstellerin, die ihre Erfahrungen mit der Welt teilte, um die Erinnerung an den Holocaust aufrecht zu erhalten.
Antonio Iturbe hat Ditas Geschichte in seinem Roman „Die Bibliothekarin von Auschwitz“ eindrucksvoll erzählt, Salva Rubio und Loreto Aroca López greifen diesen beeindruckenden Ausschnitt aus Dita Krauses Biografie auf Grundlage von Iturbes Roman in ihrer Graphic Novel auf.
Dokumentation, Erinnerung und Mahnung
Ob man so etwas Grausames wie den Holocaust in einem Comic aufarbeiten und darstellen darf, dieser Frage musste sich schon Art Spiegelmann stellen, als sein Comic „Maus“, der die Gefangenschaft seiner Eltern in Auschwitz schonungslos nacherzählt, zu einer Zeit, die noch deutlich näher an den Ereignissen war, eine breite Öffentlichkeit erreichte. Nicht nur dass Spiegelmann den Pulitzer-Preis erhielt, auch ich gebe dem Kunstschaffenden Recht: Ja, man darf. Man muss vielleicht sogar. Denn diese Form der Darstellung ermöglicht den Lesenden einen anderen Zugang zu den Geschehnissen und zu den Persönlichkeiten, die daran beteiligt oder davon betroffen waren, als ein “nur” geschriebenes Buch es tut. Außerdem ist es nun einmal auch nicht jedermanns Sache, einen vergleichsweise umfangreichen Roman wie das viel zu wenig beachtete Stück Nachkriegsliteratur „Der Tod ist mein Beruf“ von Robert Merle (erstmals erschienen 1957), zu lesen.
Salva Rubio schafft es, mit nur wenigen Worten ganz viel zu auszudrücken. Die Texte fassen die Stimmung zu jeder Zeit treffend ein und bleiben beim Betrachten der Bilder in den Gedanken hängen. Die Zeichnungen von Loreto Aroca López stellen die Charaktere und deren Emotionen mit viel Feingefühl dar, sodass sie die Empathie der Betrachtenden wecken. Die farbliche Gestaltung besteht durchgehend aus eher gedeckten Farben, jedoch unterscheiden sich die Passagen in Farbtemperatur und Helligkeit und schaffen so eine harmonische, visuelle Komponente zu den aufwühlenden Gefühlen, die die einzelnen Szenerien hervorrufen. Zusammen hauchen Rubio und Aroca López der Geschichte Leben ein und schaffen damit ein würdiges Stück Erinnerungskultur, das uns einen Einblick in die einzelnen Schicksale von inspirierenden Menschen gibt, die allzu oft in den schockierenden Zahlen der Geschichtsbücher subsumiert werden.
Dita Kraus lebt heute in Israel und schrieb 2021 während eines Krankenhausaufenthaltes einen Bericht über Auschwitz, der im „Der Spiegel (S+)“ erschien. 2023 sprach sie unter anderem mit dem „Stern“ – unermüdlich klärt sie als eine der letzten Zeitzeugen noch heute über das auf, was damals geschah und nie wieder geschehen darf.
Die Bibliothekarin von Auschwitz
Salva Rubio und loreta Aroca López
Bahoe Books, 123 Seiten
24,00 Euro