Heiße Nächte in Spanien
Das Ebrotal gehört zu den heißesten Regionen Spaniens. Wie lebt es sich dort inmitten einer Hitzewelle?
Es ist kurz nach Mitternacht. Ich werfe einen Blick auf den Bildschirm meines Handys. Die Wetter-App zeigt 32 Grad an. Meine Freundin öffnet das Fenster, denn es wird kühler, auch wenn die niedrigste Temperatur des Tages erst in fünf Stunden erreicht wird. Dann wird die App 25 Grad anzeigen. Kurz nach Mittag wird die Temperatur auf über 35 Grad geklettert sein, bis die Höchsttemperatur - zwischen 40 und 42 Grad - schließlich gegen 17 und 18 Uhr erreicht sein wird. Das ist die Realität des Sommers in der aragonesischen Hauptstadt Zaragozas während einer Hitzewelle.
Über den Satz, dass es nur im Süden Spaniens so richtig heiß wird, können wir somit nur müde lächeln. Wenn im Sommer die Hitzewellen über das Ebrotal peitschen, dann gehören diese Gebiete zu den heißesten Spaniens. In der letzten großen Hitzewelle Ende Juni lag die Bodentemperatur bei 47 Grad.
An diesen Tagen beneidet man sogar Bernarda Albas Töchter, die acht Jahre lang das mütterliche Haus nicht verlassen durften. «Nicht einmal der Wind soll durch das Haus pfeifen» verordnete die herrschsüchtige Alba. Angesichts der trockenheißen Luft keine schlechte Idee.
Sonne und Hitze
Es ist nämlich eine extrem trockene Hitze, die sich in der Stadt wie in einem Backofen aufstaut und einem wie eine Wand entgegenkommt, sobald man die Wohnung verlässt. Dabei finde ich die hohen Temperaturen noch erträglich. Es ist die Sonne, die gegen Mittag auf uns unerbittlich niederbrennt, wie durch ein Brennglas, als wären wir Ameisen, die Opfer eines kindischen Streiches werden.
In Albert Camus’ Roman Der Fremde, wo die Sonne eine Art Nebenprotagonistin ist, findet sich der allzu wahre Satz einer Krankenschwester: «Wenn man langsam geht, setzt man sich der Gefahr des Sonnenstichs aus. Geht man aber zu schnell, dann schwitzt man, und in der Kirche erkältet man sich.» Es muss ja nicht gleich eine Kirche sein: in fast jedem Geschäft kühlt eine Klimaanlage die Innentemperatur auf die Hälfte der Außentemperatur, als würde man zwischen dem Äquator und einem der Pole hin und her hüpfen.
Better safe than sorry
Dass eine solche Abkühlung im Zweifel überlebenswichtig ist, weiß auch die Stadt. Bei Wetteralarmstufe gelb oder rot werden die Eintrittspreise für die Schwimmbäder ermäßigt, die “refugios climáticos” geöffnet, wo BürgerInnen temporären klimatisierten Unterschlupf finden können, sowie Bürgerpatrouillen verstärkt, die Wasser an potentiell gefährdete Personen ausgeben.
Man ist also, alles in allem, auf die Hitze vorbereitet. Doch Schätzungen des spanischen Gesundheitsministeriums gehen davon aus, dass im letzten Jahr über 2.000 Personen aufgrund der Hitze in Spanien starben. Jedes Jahr werden Einzelschicksale bekannt, wie etwa im Juni 2025 die 51-jährige Straßenreinigungskraft Montse, die an den Folgen eines Hitzschlages ums Leben kam. Spanische Gewerkschaften fordern Maßnahmen, um hitzebedingte Arbeitsunfälle zu minimieren.
Jegliche Vorsichtsmaßnahme wird auch notwendig sein, denn die Sommer werden zukünftig noch brutaler werden. Daten des spanischen Wetterdienstes AEMET zeigen, dass sich nicht nur die Häufigkeit der Hitzewellen mehrt, sondern auch deren Länge. Außerdem sind mehr Provinzen von der extremen Hitze betroffen. Selbst der sonst kühle Norden Spaniens muss in den Hitzewellen mit Temperaturen von weit über 30 Grad rechnen.
Mit der Trockenheit erhöht sich auch die Waldbrandgefahr. Im Jahr 2024 brannten in ganz Spanien 43.655 Hektar Waldfläche. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Rauch hunderte Kilometer durch die Lande zieht und es in den Städten verbrannt riecht. Auch kann es vorkommen, dass man aus dem Zug einen Waldbrand in der Ferne beobachten kann. Auf den Autobahnen wird im Sommer, neben Alkohol am Steuer und Straßenräubern, auch vor der extremen Waldbrandgefahr gewarnt.
Außerdem wird in manchen Regionen Spaniens das Wasser knapp. Nach einer langen Dürrezeit hatte Katalonien letztes Jahr den “Dürrenotstand” ausgerufen und einen Notfallplan in Gang gesetzt. Pro Tag und Person wurde der Wasserverbrauch auf 200 Liter begrenzt, außerdem durften keine Autos gewaschen, Blumen gegossen oder private Schwimming-Pools befüllt werden. Lediglich auf den Feldern durfte Wasser weiterhin verwendet werden. Auch TouristInnen wurden in Hotels auf die Situation hingewiesen. Als ich mein Hotelzimmer in Tarragona betrat, fand ich einen Zettel auf dem Schreibtisch vor, in dem die Gäste aufgefordert wurden, aufgrund der aktuellen Situation möglichst wassersparend zu übernachten.
Neue Normalität
All diese Elemente - Hitzetote, Waldbrände, Wasserknappheit - sind ein Vorgeschmack dessen, was uns in der Zukunft vermehrt und intensiver erwartet. Es ist bereits eine neue Normalität, auf die sich die Gesellschaften und Staaten einstellen müssen. Einige Maßnahmen, wie etwa die “refugios climáticos”, werden bereits in Spanien erfolgreich erprobt. Doch es muss noch mehr geschehen, denn es handelt sich am Ende auch um eine soziale Frage.
Ich bin in dieser Hinsicht äußerst privilegiert. Ich arbeite und lebe stets in klimatisierten Räumen und habe den Luxus etwa im August kaum etwas zu tun. Doch nicht alle können das von sich behaupten. Wenn die Hitzewellen immer früher einsetzen, müssen alle Schulgebäude klimatisiert werden, was aktuell beispielsweise in Aragón nicht der Fall ist. Man wird sich um Obdachlose und ältere Menschen kümmern müssen, die besonders gefährdet sind. Man wird besseren Arbeitsschutz brauchen, um hitzebedingte Arbeitsunfälle zu reduzieren. Eine Möglichkeit wäre, bestimmte Arbeiten nachts durchzuführen. Dies ist in Zaragoza etwa bei der Müllabfuhr oder der Straßenreinigung bereits der Fall. Die Liste ist lang. Es gibt viel zu tun.
Während ich um 02:00 Uhr morgens diese Zeilen zu Ende schreibe, bläst ein Luftzug durch die Wohnung. Ich blicke auf die Wetter-App. Es sind angenehm kühle 29 Grad.