Kümmert sich die Geschichte um den Klimawandel?
Zur Bekämpfung des Klimawandels setzen viele auf technologische Fortschritte in der Zukunft. Lässt sich der Fortschrittsglaube historisch rechtfertigen?

Wenn Politiker·innen von «Technologieoffenheit» sprechen, dann ist dies lediglich ein Ausdruck des unerschütterlichen Glaubens an den technologischen Fortschritt. Man werde in der Zukunft sicherlich die technischen Möglichkeiten haben, den menschengemachten Klimawandel zu stoppen oder gar rückgängig zu machen. Dieser Glaube ist eng mit dem Glauben an den historischen Fortschritt verbunden. Schließlich haben technologische Durchbrüche in der Vergangenheit zu bedeutenden Veränderungen in der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Organisation geführt, was oftmals als «Fortschritt» betrachtet wird.
Laut dem australischen Archäologen Gordon Childe waren die ersten beiden großen Revolutionen in der Menschheitsgeschichte, nämlich die neolithische und die urbane Revolution, nur aufgrund von technologischen Fortschritten wie der Landwirtschaft und der Metallurgie möglich. Ohne die verbesserte Planung von Nahrungsressourcen und effizientere Werkzeuge wie den Pflug wäre der notwendige Nahrungsmittelüberschuss nicht erwirtschaftet worden, der wiederum für die Etablierung der Metallurgie notwendig war, da deren Arbeiter nicht für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung standen.
Mit wissenschaftlicher Penibilität hat der französische Mathematiker und Philosoph Nicolas de Condorcet im Jahr 1793 einen Blick auf die Geschichte geworfen und stellte fest, dass der historische Fortschritt eine Gesetzmäßigkeit darstellen würde, da der Mensch sich ständig perfektioniere. Sowohl technisch als auch intellektuell habe sich der Mensch bis zur Aufklärung und deren Umsetzung durch die Revolutionen in den USA, Frankreich und England perfektioniert: Als Jäger und Sammler entdeckte er die Landwirtschaft, durch die er sesshaft wurde und durch die sich die ersten Staaten entwickelten, die zur Verwaltung die Schrift benötigten, aus der schließlich das Alphabet hervorging. Mit der Aufklärung habe der Mensch vorerst seinen Zenit erreicht, jedoch sei die Perfektionierung des Menschen unendlich.
Diese Idee des unaufhaltbaren historischen Fortschritts konnte nur während der Aufklärung erstmals vollständig entwickelt werden. Weder die alten Griechen noch die Philosophen des Mittelalters hätten sich die Geschichte als fortschreitendes Gebilde vorstellen können. Ihr Verständnis der Welt erlaubte es ihnen schlichtweg nicht. Beide antizipierten das Ende der Welt, wenn auch mit unterschiedlichen Konsequenzen. Während die Christen fest an die Ankunft des Antichristen und des jüngsten Gerichts glaubten, erwarteten die Griechen, dass ihre Götter die Welt wiederherstellen würden, nur damit ein neuer Zyklus beginnen konnte, der letztendlich zu ihrem erneuten Untergang führen würde. Das Erwarten des Weltuntergangs steht im Gegensatz zum eher optimistischen Glauben an den historischen Fortschritt durch die Perfektionierung des Menschen, wie es sich etwa Condorcet vorgestellt hat.
Das Staatsproblem
Jedoch blieb diese Sichtweise nicht unumstritten. Nur vier Jahre nach Condorcets Tod im Jahr 1794 veröffentlichte der britische Ökonom Thomas R. Malthus einen düsteren Ausblick auf die Zukunft der Menschheit. Er argumentierte, dass eine bessere, gerechtere Welt durch die Perfektionierung des Menschen unmöglich wäre, da die Bevölkerungswachstumsrate immer die Fähigkeit der Erde, ausreichend Existenzmittel bereitzustellen, übertreffen würde.
Zugegebenermaßen, die Möglichkeiten der Geburtenkontrolle waren Ende des 18. Jahrhunderts eher begrenzt, dennoch brachte Malthus einen wichtigen Punkt zur Sprache: Die Menschheit ist stark von den Ressourcen abhängig, die die Erde bereitstellt. Während einige Ressourcen zu nachhaltigem Wirtschaften beitragen können (z. B. Saatgut für die Landwirtschaft), sind andere nur in begrenzter Anzahl verfügbar. Letztere stellen ein erhebliches Problem für eine industrielle, kapitalistische Wirtschaft dar, die auf dem Streben nach unendlichem Profit basiert.
Der Kampf um begrenzte Ressourcen könnte die Gründung erster Staaten in der Menschheitsgeschichte verursacht haben, insbesondere im Alten Ägypten, wo eine Klimaveränderung die Menschen zwang, sich entlang der fruchtbaren Ufer des Flusses Nil niederzulassen. Die Siedlungen wuchsen an, und es ist wahrscheinlich, dass die verschiedenen Gemeinschaften um Ressourcen in der Gegend kämpften. Schließlich entstand der pharaonische Staat Ägypten aus den Schlachtfeldern. Der zentralisierte Staat musste Handel und Wirtschaft organisieren und verwalten. So wurde die Schrift erfunden. Wenn man Childe und insbesondere Condorcet glauben darf, legte das Entstehen des Staates einen wichtigen Grundstein für den Fortschritt der Menschheit.
Allerdings wurde dies in den letzten Jahren stark angefochten. In seinem Buch Against the Grain argumentiert John C. Scott, dass die Etablierung des Staates tatsächlich einen Rückschritt und keinen Fortschritt darstellte. Die Menschheit überlebte 95 % ihrer Geschichte ohne die Existenz eines Staates. Scott datiert den Anstieg von sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit auf die neolithische Revolution zurück und argumentiert, dass die aufkommenden Gesellschaften hierarchischer wurden, da Eliten entstanden, die die Überschüsse und die Mittel zu ihrer Herstellung kontrollierten. Auch der verstorbene David Graeber und David Wengrow kamen zu einem ähnlichen Schluss und gingen sogar so weit, zu behaupten, dass die europäische Aufklärung stark von indigenen Ideen und deren Bezug zur Natur beeinflusst wurde.
Folgt man den Ideen von Graeber und Wengrow, könnte der unmittelbare Vergleich zwischen den selbsternannten «zivilisierten» Europäer·innen und der «wild» bezeichneten indigenen Bevölkerung durchaus die Idee des historischen Fortschritts während der Aufklärung begründet haben. Die Unterschiede in der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Organisation konnten den europäischen Köpfen nicht entgangen sein und warfen daher die Frage auf, ob die indigenen Gesellschaften, aus Sicht der Europäer, lediglich auf einem niedrigeren Stand der historischen Entwicklung standen.
Gibt es unendlichen Fortschritt?
Condorcet glaubte zweifellos, dass alle Männer und Frauen (auch Indigene und Sklaven) irgendwann genug aufgeklärt sein würden, um sich selbst zu befreien und das gleiche Maß an Freiheit zu genießen, wie es die Menschen in den Vereinigten Staaten, England und Frankreich taten. Er ging jedoch noch weiter und prophezeite eine, dank der Wissenschaft, fortgeschrittene Zukunft mit einem noch perfekteren Menschen. «[D]iese Perfektionierung der menschlichen Spezies könnte zu unendlichem Fortschritt fähig sein.»
Allerdings muss dies in Frage gestellt werden, da es keine Garantie für die Perfektionierung des Menschen und der Wissenschaft gibt. «[W]elche Gewissheit haben wir, dass [die Wissenschaft] nicht eines Tages auf unüberwindbare Barrieren stoßen wird?», fragte der Historiker John A. Bury, der sich mit der Idee des historischen Fortschritts beschäftigte.
Es könnte gut sein, dass es eine Grenze des menschlichen Wissens und der Fähigkeiten gibt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das menschliche Wissen größer ist als seine technischen Möglichkeiten. Wir wissen vielleicht, wie man Maschinen baut, die den vom Menschen verursachten Klimawandel stoppen oder sogar umkehren könnten, aber wir sind einfach noch nicht in der Lage, sie zu bauen. Dies wäre mehr als unbefriedigend, bedenkt man, dass die Menschheit bei diesem Problem gegen die Zeit arbeitet.
Wenn wir uns nicht auf den historischen Fortschritt verlassen können, worauf können wir uns dann verlassen? Wenn es eine Konstante gibt, die das Überleben der Menschheit seit Tausenden von Jahren sichergestellt hat, dann ist es ihre Fähigkeit zur Anpassung. Wir haben vielleicht nicht das Wissen, um Maschinen zur Bekämpfung des Klimawandels zu bauen, aber wir besitzen bereits ausreichendes Wissen, um Veränderungen umzusetzen, die zumindest den Prozess verlangsamen würden. Es ist lediglich eine pragmatische Frage des Willens in der Gegenwart - nicht der Perfektionierung der Möglichkeiten in der Zukunft.